Meine Stillgeschichte - Von Stillhütchen, Dauernuckeln und Co.
Als ich unsere Tochter zum ersten Mal in meinen Armen hielt, konnte ich mein Glück kaum fassen. Dieser Moment, in dem sie mir zum ersten Mal auf die Brust gelegt wurde, war das Wundervollste, was ich bislang erlebt hatte. Ich freute mich wahnsinnig auf die ersten Stunden gemeinsam mit ihr und vor allem auf das erste Anlegen. Ich wusste schon immer, dass ich stillen möchte, und glaubte, dass es dafür keine besondere Vorbereitung braucht. Wie so viele Mamas ging ich fest davon aus, dass es schon irgendwie klappen wird, schließlich ist Stillen doch das Natürlichste der Welt und wir beide wissen sicherlich intuitiv, wie es funktioniert und was zu tun ist. Und falls nicht, dann wird mir das kompetente Fachpersonal im Krankenhaus schon irgendwie helfen können. Dass ich aber so gut wie gar nichts über das Stillen wusste, wurde mir gleich in den ersten Stunden nach der Geburt bewusst.
Wusstest du zum Beispiel, dass bei der Geburt etwa 90 Prozent der Frauen die Absicht haben zu stillen, aber bis Ende des sechsten Monats lediglich 13 Prozent der Frauen ausschließlich stillen? Wenn man sich diese Statistik anschaut, dann kann man fast davon ausgehen, dass ich nicht die Einzige bin, die mit einer gewissen Naivität an dieses Thema herangegangen ist. Man könnte sogar behaupten, dass wahrscheinlich mehr Frauen länger stillen würden, wenn sie die richtige Unterstützung und Informationen bekämen, die sie brauchen, um mit dem Stillen zu beginnen oder weiterzumachen und bewusste Entscheidungen treffen zu können.
Denn auch ich hätte gerne eine andere Entscheidung getroffen, als ich meine Tochter zum ersten Mal gestillt habe. Vor dem allerersten Anlegen im Kreißsaal entschied die anwesende Hebamme beim Anblick meiner Brustwarzen, dass es definitiv nur mit Stillhütchen funktionieren wird. Als frisch gebackene Mama habe ich das natürlich nicht in Frage gestellt. Vollgepumpt mit Hormonen kam ich erst gar nicht auf die Idee zu sagen, dass ich es gerne erst einmal ohne probieren möchte. Sie war schließlich vom Fach, sie musste es doch wissen. Also vertraute ich ihr. Ohne zu wissen, welchen Einfluss Stillhütchen auf Stillstart, Stillbeziehung oder Saugverhalten haben (können!). Und so kam es, dass wir diesen intimen Moment des ersten Anlegens mit einem Stillhütchen teilten. Nur drei Stunden später kam eine zertifizierte Stillberaterin auf unser Familienzimmer, die sich sehr viel Zeit für uns nahm, mir wertvolle Tipps zum richtigen Anlegen gab und verschiedene Stillpositionen zeigte. Die Stillhütchen landeten sofort im Müll, denn laut ihr brauchte ich diese “Dinger” mit meinen Brustwarzen nicht.
Innerhalb kürzester Zeit war ich also mit absolut unterschiedlichen Meinungen und Empfehlungen konfrontiert, sodass ich mir im Nachhinein gewünscht hätte, dass ich vorab besser informiert gewesen wäre und selbstsicherer auf diese Situation reagiert hätte. Obwohl ich so naiv und blauäugig an das Thema Stillen herangegangen bin, hatte ich auch Dank der Unterstützung der Stillberaterin einen wunderbaren Stillstart und kaum Anfangsschwierigkeiten.
Heute weiß ich allerdings, dass ich da wohl eher die Ausnahme bin. Vielen Mamas fehlt vor allem am Anfang die nötige Unterstützung und die richtigen Informationen. Bei vielen möchte es einfach nicht so klappen, wie sie es sich vorgestellt und gewünscht hätten. Dazu kommt der unnötige Druck von außen, falsche Empfehlungen oder Fehlinformationen, die zusätzlich verunsichern, Selbstzweifel und Ängste aufkommen lassen.
War das Stillen für mich immer einfach?
Definitiv nicht! Irgendwann begann das Dauernuckeln. Vor allem nachts forderte meine Tochter oft stundenlang ununterbrochen die Brust und ich fing an, das Stillen nicht mehr so zu genießen wie vorher. Es gab immer mehr Abende, an denen ich weinend aus dem Schlafzimmer kam und meinem Mann sagte, dass ich das nicht mehr kann, dass nur ich unser Kind schlafen legen kann. Ich stillte meine Tochter immer in den Schlaf, musste aber schnell feststellen, dass das Einschlafstillen in den Köpfen vieler sehr negativ behaftet war. Und so ließ auch ich mich von den Meinungen anderer schnell verunsichern und glaubte, Dauernuckeln und Einschlafstillen seien etwas Schlechtes. Sätze wie „Lass sie bloß nicht an deiner Brust einschlafen, sonst bekommst du sie nicht mehr weg davon“ bekam ich oft zu hören. „Ach Gott, du Arme!“ sagten sie und sahen mich mit traurigen Augen an, weil mein Kind nur mit Brust in den Schlaf fand.
Ich kam an einen Punkt, an dem ich mich entscheiden musste, etwas an der Situation zu ändern. Aber ich entschied mich nicht für Veränderung, sondern für AKZEPTANZ. Ich war noch nicht bereit, etwas zu ändern und in unsere wunderbare und funktionierende Stillbeziehung einzugreifen, ohne dass mein Kind ein Mitspracherecht hat. Was sich veränderte, war mein Mindset. Anstatt mich permanent über die Situationen aufzuregen, machte ich mich frei und erkannte, dass ich, indem ich die Dinge so annahm und akzeptierte, wie sie kamen, diese intensive Zeit in unserem Leben noch positiver nutzen konnte.
Ich bin froh, diesen Weg für uns gewählt und viele Dinge so akzeptiert zu haben, wie sie gekommen sind. Es ist einfach faszinierend, was die Natur eingerichtet hat, dass ich in der Lage bin, mein Kind mit meinem Körper zu ernähren. Es gibt nichts Schöneres, so von meiner Tochter gebraucht zu werden, ihr sicherer Hafen zu sein, ihr diese Nähe und Geborgenheit zu jeder Zeit geben zu können.
Ja, Stillen bedeutet auch Aufopferung, weil es einem als Mutter physisch und psychisch sehr viel abverlangt. Stillen bedeutet auch, sehr viel Geduld mit sich selbst und seinem Kind aufzubringen. Niemand bereitet einen darauf vor, dass Stillen alles andere als einfach ist und man auch an seine Grenzen kommt.
Wir stillen jetzt seit 17 Monaten und werden so lange stillen, bis meine Tochter es von sich aus beendet. Mit meiner Stillgeschichte möchte ich dich dazu ermutigen, dir vorab so viel Wissen wie möglich über das Stillen anzueignen, um mit Selbstvertrauen und Zuversicht in eine wunderbare Stillbeziehung zu starten und die richtigen Entscheidungen für dich und dein Baby treffen kannst.
Was ich in 17 Monaten Stillen gelernt habe:
1. Stillen ist so viel mehr als Nahrung. Es ist Liebe, Geborgenheit, Nähe, Wärme, Trost, Sicherheit.
2. Jede Stillbeziehung ist einzigartig und individuell. Manchmal benötigt es etwas Hilfe, Geduld und Übung, aber für jede Herausforderung gibt es eine Lösung. Je informierter man ist, umso besser wird es klappen.
3.Um erfolgreich stillen zu können, braucht es mehr als nur den Wunsch zu stillen. Ein Stillvorbereitungskurs muss meiner Meinung nach heute genauso selbstverständlich wie ein Geburtsvorbereitungskurs sein. In der Schwangerschaft geben wir bereits so viel Geld für Dinge aus, die wir am Ende gar nicht benötigen, anstatt in einen Stillkurs zu investieren. Wir Frauen brauchen mehr Aufklärung, damit so viele Stillbeziehungen aufgrund von mangelndem Wissen oder äußeren Einflüssen nicht frühzeitig abgebrochen werden und wir zurückkehren können zu einer Gesellschaft, in der das Stillen als wichtiger Bestandteil angesehen wird.
4. Die Basics! In den ersten Stunden nach der Geburt zwischen 10 und 12 mal anlegen, um die Milchbildung zu fördern. Beim Stillen regelt die Nachfrage das Angebot, d.h. je häufiger und wirksamer dein Baby die Milch aus der Brust entnimmt, desto mehr wird gebildet. In den ersten Tagen nach der Geburt ist der Magen deines Babys noch so klein, dass es nur winzige Mengen vom wertvollen Kolostrum braucht, um es satt zu bekommen. Hättest du das alles gewusst?
4. Auch ich hatte gerade in den ersten Wochen mit wunden Brustwarzen zu kämpfen. Eine leichte Empfindlichkeit ist allerdings vollkommen normal, denn die empfindliche Haut muss sich erst an die Beanspruchung gewöhnen. Sollte die Brust aber schmerzen, ist das meist ein Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt – oftmals verursacht durch die falsche Stillhaltung oder Stilltechnik und oft der Grund, warum Frauen früher als geplant abstillen. Suche dir frühzeitig Hilfe bei deiner Hebamme oder einer Stillberaterin. Je früher die Ursache für Probleme gefunden wird, umso einfacher sind diese zu lösen.
Wenn ich mit meiner Geschichte nur einer Mama helfen kann, ihren Stillstart aufgrund von mangelndem Wissen oder äußeren Einflüssen nicht frühzeitig abzubrechen, dann macht mich das schon sehr glücklich. Ich wünsche mir, dass sich viele Frauen vor der Geburt bewusster mit dem Thema Stillen auseinandersetzen und richtig informieren (vorausgesetzt sie wollen stillen), sodass sie selbstsicherer in ihre Stillbeziehungen treten, äußere Einflüsse ausblenden und bewusstere Entscheidungen treffen können.
Glaub an dich, liebe Mama, hab Vertrauen und gib nicht auf! Stillen ist etwas Wundervolles. Du schaffst das! #yougotthis
Deine Christin
@hey.christin_